Reichsburgerwochen III: „Ihr könnt mich mal” – die Folgerungen des Reichsbürgers und warum er keine Steuern zahlt

Gemäß der Reichslogik ist Deutschland nicht souverän, das Grundgesetz, alle übrigen Gesetze und Vorschriften ungültig. Das hat angenehme Folgen für das Reichsportemonnaie, da man einem ungültigen Konstrukt keine Steuern oder Falschparkerknöllchen schuldig ist. Aber weil auch der Reichsverfassungswächter nach Orientierung sucht, hat er beschlossen, dass das Deutsche Reich nach wie vor existiert. Unklar ist, ob er auch die damalige Verfassung anerkennt, klar ist, dass er die ehemaligen Grenzen wieder haben möchte.

Dumm nur, dass das alles Unfug ist. Was aber den Reichsbürger nicht anficht. Und wenn schon kein reales Deutsches Reich in greifbarer Nähe ist, gründet man eben Provisorien in Form von Kommissarischen Reichsregierungen. Und ernennt sich zum Reichskanzler, Reichspräsidenten oder Reichsvizegurke. Selten auch mal zum König. Man weiß es nicht. Wenn man schon mal dabei ist, erlässt man Gesetze, führt allerhand Fantasiepapiere ein, eigene Ausweise, Führerscheine undsofort. Und immer ganz wichtig: Man betont gebetsmühlenartig die nicht vorhandenen Souveränität Deutschlands, setzt es gerne auch mit einer GmbH gleich und beruft sich ein ums andere Mal auf sowohl wirre als auch tausendmal widerlegte Argumente.

Egal, denn: Jetzt wird das Leben so richtig günstig. Da nach Reichfuzzis Auffassung das Grundgesetz ungültig ist, können gemäß der Reichsheinilogik getrost alle Wahlen seit 1949 in die Tonne gekloppt werden. Folglich auch die gewählten Bundestage und die von jenem und Bundesrat verabschiedeten und vom Bundespräsidenten unterschriebenen Gesetze, Vorschriften und Verordnungen und all das, was einem spätestens bei der jährlichen Steuererklärung oder bei der 3-Promillefahrt lästig werden könnte.

Kfz-, Hunde- oder Grundsteuer – weg vom Tisch. Auch Ordnungswidrigkeiten sind des Teufels, das Knöllchen in der Feuerwehrzufahrt ist illegal, die drölfzig Punkte in Flensburg wegen Fahrens mit 80 in der Spielstraße sind Unsinn, und die GEZ braucht man eh nicht bezahlen.

Dass viele Reichsbürger Rente oder Hartz4 von dem System, welches sie nicht anerkennen, beziehen, sei nur eine Köstlichkeit am Rande. Ebenso dass der Reichi jene Gerichte, die er gar nicht anerkennt, gerne bemüht. Wer hört die Logik knirschen? Der Reichshammel nicht.

Ich frage mich ja: Was macht der Reichsburger eigentlich mit der Mehrwertsteuer? Argumentiert er an der Supermarktkasse, dass sein Einkauf bitte netto (auch bei Aldi *scnr*) zu berechnen sei? Oder will er diese 19 Prozent vom Staat wieder? Was aber von etwas holen, das nicht existiert?

Allein bei dem Gedanken, dieses Konstrukt auflösen zu wollen, krieg ich Hirnerweichung.

———

Übrigens: Zur Frage der Grenzen hat Kommentator Lalaburg hier in Teil 1 ein paar gute Überlegungen gepostet.

22 Kommentare zu “Reichsburgerwochen III: „Ihr könnt mich mal” – die Folgerungen des Reichsbürgers und warum er keine Steuern zahlt

  1. Die Überlegungen zur Mehrwertsteuer sind sehr gelungen. Bis das Reichsrätsel nicht gelöst ist, hängt der Reichssegen ganz derbe schief. An dem Knochen müssen die Reichswinkeladvokaten noch einiges zu nagen…

    • … oder gar an der Schampussteuer: 1902 vom Kaiser eingeführt, 1933 abgeschafft und 1939 wieder in Kraft getreten. Gültig bis heute. Die Kurve muss der Hochprozentreichi erst mal kriegen :-)

      • Oh ja, da muss man reichlich Reichsgrips drauf verwenden, um das passend zu kriegen. Da muss wohl das Korkenzieherlineal her, sonst kriegt man die Linie nicht reichtig hin. Nur gegen die Reichensteuer dürften die nichts haben ;)

  2. Ein gelungener Artikel.

    Das Fatale an der „Bist du Reichsbürger oder Selbstverwalter, brauchst du nix mehr löhnen“-Argumentation ist, dass es eine ideale Einstiegsdroge in die Welt des Reichbürgerunwesens darstellt. Über die Souveränität der Bundesrepublik, überhaupt über rechtliche Fragen macht man sich im Alltag nicht unbedingt Gedanken. Mehr Geld möchte hingegen wohl jeder zur Verfügung haben, und Bußgelder zahlt wohl auch niemand gerne.

    Leider spielte in der Vergangenheit, inzwischen ist erfreulicherweise die Dimension des Problems weithin erkannt worden, das nachsichtige Verhalten mancher Behörden den Staatsverleugnern in die Hände. Zumindest im Bereich der Ordnungswidrigkeiten konnte man reichsbürgerseits leider eine Reihe vermeintlicher „Erfolge“ vorzuweisen. Nach dem Verschicken eines möglichst verschwurbelten Textes -je ausufernder, je pseudo-juristischer, desto besser- kam es ab und an zu einem Einstellungsbescheid.

    Dieser Umstand wurde auf zahlreichen einschlägig staatsverleugnenden Internetseiten dokumentiert und gefeiert. Wobei dort natürlich nicht darüber aufgeklärt wurde, dass es bei Ordnungswidrigkeiten im Ermessen der zuständigen Behörde steht, ein Verfahren einzuleiten oder einzustellen, hier also ein hoheitlicher Akt vorliegt, der nachdrücklich die Handlungsfähigkeit des Staates dokumentiert. Und dass der Umstand der Einstellung vermutlich sehr, sehr wenig mit dem Inhalt des verschickten Schreibens, aber sehr viel mit der Arbeitsüberlastung der Behörden zu tun hat.

    Gerade auch in finanziellen Schwierigkeiten steckende Leute lassen sich ob dieser „Erfolge“ ködern und suchen aus Unwissenheit, Trotz, Naivität oder Verzweiflung einen Ausweg aus ihrer Misere per „Zahlungsverweigerung mittels reichsdeutscher Argumentation“. Mit überwiegend ausgesprochen unschönem Ergebnis. Nicht beglichene Raten und Bußgelder, Verfahrenskosten und Gebühren türmen sich auf, am Ende des reichsdeutschen Weges warten oftmals Insolvenz, Zwangsversteigerung und Haft.

    • Lalaburg,
      danke. Und darf ich Deinen Kommentar als (Zwischen-)Blogartikel in meiner Reihe veröffentlichen? Es wäre schade, wenn dein kluger Beitrag hier in den Kommentarspalten (die vielleicht nicht jeder liest) verhungert. Sag an!

      • Ich sage an, und ich sage ja. Gerne darfst Du meinen Kommentar dergestalt verwenden.
        Guten Rutsch!

  3. Interessant ist noch eine andere Tatsache: Zwar erkennt der Reichi den Staat nicht an, benutzt aber fleissig das von diesem herausgegebene Geld. Auch etwas merkwüdig.

    • Einem geschenkten Gaul schaut man eben nicht ins Maul. Wenn die als Staat auftretende Firma so blöd ist, Reichsbürgern Alg2 zu zahlen, nimmt man das natürlich. Man wär ja sonst blöd…

      • Aber nicht doch. Laot Haager Landkriegsordnung, muss Krigesgefangenen Unterhalt (oder so ähnlich) gewährt werden. Und da wir ja besetzt sind und keinen Frieden haben, sind wir ja alle Kriegsgefangene…

      • Das eine schließt das andere doch aber nicht aus. Wenn die BRinD dem Reichsbürger aus freien Stücken Geld gibt und das Alg2, HartzIV, Kindergeld oder sonstwie nennt, darf die BRinD das und der Reichsbürger nimmt es gern an. Davon unberührt bleibt natürlich der vermeintliche Anspruch auf Unterhalt oder Soldfortzahlung oder was auch immer für Kriegsgefangene. Die fordert der Reichsbürger natürlich trotzdem. Eine Verrechnung mit den oben erwähnten freiwilligen Zahlungen der BRinD kommt natürlich nicht in Frage.
        Dreistigkeit siegt, man muss nur wissen, wie man’s anstellt…

  4. Hmm, das bringt mich ja mal auf eine Idee.

    Da es in Reichsbürger-Kreisen ja üblich ist sich mit Fantasie,- Dokumenten, Titeln, Rechtsauffassungen und was auch immer zu schmücken, sollte man es ihnen doch einfach mal gleichtun. Ich hätte ja echt Bock den einschlägig bekannten und lauten wie z.B. Mario Heinz Kiesel diverse Reichs-Rechts-Konforme Schriftstücke zukommen zu lassen.

    1. Steuerbescheid des Reichsfinanzhofs mit der Aufforderung, binnen Monatsfrist die ausstehende Steuerschuld, der nach Hagener Landkriegsordnung erfolgten Besoldung der Besatzungsmächte abzuführen. Rückwirkend seit 1991.

    2. Zusendung des Urteils des Reichsgerichts wegen Hochverrat.
    Da die geheime Reichspolizei herausgefunden hat, dass der entsprechende Reichsbürger seit 1991 den Feindmächten Geldzahlungen in Form der Mehrwertsteuer hat zukommen lassen.
    Da Steuerzahlungen an die NGO BRDiD aufgrund der fehlenden Verfassung illegal, und als direkte Unterstützung der Feindmächte zu werten ist, da sich das Reich wegen des fehlenden Friedensvertrags immer noch im Kriegszustand mit den Alliierten befindet.

    DIES IST UNTERSTÜTZUNG DES FEINDS IN KRIEGSZEITEN.
    HOCHVERRAT ALSO TODESSTRAFE.

    3. Zusendung der Begnadigung des Reichsjustitzministeriums. Da aufgrund sonst tadelloser Führung in Reichsangelegenheiten die Umwandlung der Todesstrafe in 25 Jahre Festungshaft beschlossen wurde. Dies kann mit einer einmaligen Zahlung von 25.000.000 Reichsmark in Gold an die neue Reichsregierung (Mich) aus der Welt Geschaft werden. Es gilt der Goldwert von 1937.

    4. Strafbewehrte Unterlassungserklärung keine weiteren Zahlungen in Form jeglicher Steuern an die Feindmächte, vertreten durch die NGO BRDiD, zu Leisten.
    Selbstverwalter sollen auch Selbstversorger sein um dem Feind nicht in die Hände zu spielen.
    Bei Nichtbeachtung wird das Verfahren wegen HOCHVERRAT wieder aufgenommen.

    Hihihi….

    Gruß Dete (Demokratisch ernannter neuer Deutscher Kaiser, Das Volk bin ich!)

  5. ne eigentlich nicht verwunderlich das Sie Rente oder Sozialleistungen immer noch beziehen.Sie haben in dieses System eingezahlt und die BRD ist laut Shaert Gesetzten der Alliierten NUR DIE VERWALTERIN des DEUTSCHEN REICHES,……Das Deutsche Reich ist nicht untergegangen ..nur Mangels staatlicher Organisationen NICHT Handlungfähig also erst infos und dann labern

  6. Pingback: Wir basteln uns ein Reich | gnaddrig ad libitum

  7. Ein weiteres Beispiel aus dem echten Leben berichtet aktuell Die Stunde der Wahrheit unter dem sprechenden Titel Liebe Polizei! – „Außerbetriebsetzung eines Kfz“.

    Da ist alles drin: Völlige Entrücktheit, fantastische Vorstellungen von juristischen Gegebenheiten („Sie führen keinen Amtsausweis sondern lediglich einen Dienstausweis mit sich“), Paragrafenverdreherei, Schaumschlägerei, der unbedingte Wille zu immer neuen schriftlichen Eingaben und endlosen „Diskussionen“.

    Das sind natürlich keine Diskussionen im landläufigen Sinne, sondern eher Veranstaltungen wie bei Gery Weber, wo die betroffenen Behördenmitarbeiter im wesentlichen durch knietiefen Sirup aus pseudojuristischen Verquastheiten waten müssen. Die Übung ist ungefähr so sinnvoll und befriedigend, wie der Versuch, nur mit einem alten Joghurtbecher Sandburgen aus trockenem Getreide zu bauen. Auf dem vibrierenden Kotflügel eines Treckers mit laufendem Motor. Erfolgsaussicht: Null.

    • Hilfe! gnaddrig, woher treibst Du nur solche Sites auf? Kannste nicht mal warnen? ;-)

      Ich hab da drübergelesen und bekomm jetzt die Bilder von galaktischen Katastrophen, esogequirlten Gotteskommentaren und überhaupt der Wahrheit (TM) nicht mehr aus dem Kopf.

      Die Übung ist ungefähr so sinnvoll und befriedigend, wie der Versuch, nur mit einem alten Joghurtbecher Sandburgen aus trockenem Getreide zu bauen. Auf dem vibrierenden Kotflügel eines Treckers mit laufendem Motor

      Herrliches Bild :-)

  8. Ja, wenn es nicht legal ist, dann dürften auch keine Reichsausweise zugelassen werden ! Da Deutschland das zustimmt bzw. nicht verboten hat zweifelt man an der Echtheit der beiden Staaten. Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser, vertraue niemanden.

Hinterlasse eine Antwort zu gnaddrig Antwort abbrechen