800.000! Wir werden überrollt!

Heute gibt’s Torte. Und Bier. Und meine Stinkwut auf 800.000. Also jetzt nicht auf die Zahl. Sondern darauf, wie Politik und Medien mit dieser Zahl umgehen. Und darum, was, besser wer, hinter der Zahl steckt. Es geht um 800.000 Flüchtlinge, die Deutschland angeblich aufnehmen soll, um widerwärtigen Alarmismus, um Heuchelei und die „Nichts gegen, aber“-Deutschen.

800.000 Menschen sind eine ganze Menge. Frankfurt hat weniger, Köln mehr Einwohner, nämlich rund eine Million Jecken. Bei der Vorstellung von nur 800.000 Kölnern kann man durchaus den Überblick verlieren. Wer jemals beim Kölner Karneval dabei war, wird mir zustimmen. Und wer den Überblick verliert, wird gerne mal panisch, aktionistisch und auch populistisch, wenn’s gerade in den Kram passt. „Wohin denn nur mit all diesen Leuten, zu Hilfe, wir werden überrollt!“, ist dann der Tenor. Wir, das sind „wir“ Deutschen.

Dazu eine kleine Auswahl an Überschriften (die ich absichtlich nicht verlinke, denn ich mag für dieses mediale Getöse nicht noch Klicks erzeugen):

Die Welt: 800.000 Flüchtlinge sind für Deutschland zu viel und Zahl der Flüchtlinge erreicht „Allzeithoch“

Focus: 800.000 Flüchtlinge erwartet – Versorgung von Asylbewerbern: Kosten von mehr als 10 Milliarden Euro drohen und Eine Million werden wir nicht verkraften: CDU-Mann warnt vor Flüchtlingsansturm

Spiegel: De Maizière über Flüchtlingszahlen: „Das ist auf Dauer zu viel“

Berliner Kurier: Mehr als 800.000 allein dieses Jahr: Immer mehr Flüchtlinge

ARD: 800.000 Flüchtlinge – schafft Deutschland das?

WEB.de: Flüchtlingskrise in Europa: Hannelore Kraft rechnet mit mehr als 800.000 Flüchtlingen

Münsterländische Volkszeitung: „Jedes Jahr 800.000 Flüchtlinge können wir nicht schaffen“

Was bleibt hängen? Zu viel, Krise, nicht zu verkraften, Ansturm, immer mehr, nicht zu schaffen, Milliardenkosten. Was bleibt nicht hängen? Dass es sich um Prognosen handelt. Das ist im Zusammenhang mit Flüchtlingen Latein für bestenfalls halbwegs auf Zahlen beruhende Annahmen (schwierig, denn Flüchtlinge sind so derb unberechenbar) und schlimmstenfalls Kaffeesatzlesen. Auf jeden Fall aber: Nichts genaues weiß man nicht.

Ja, manche Zeitungen überschriften auch sachlich. Nein, das bleibt  genauso wenig im Gedächtnis wie der Sinn des Wörtchens Prognose. Die Auswirkungen sehen wir gerade: Denn die ach so besorgten Deutschen sehen vor sich ein Bild von 800.000 anstürmenden Flüchtlingshorden, die ungekämmt und ungeimpft in die deutsche Kehrwochenidylle einfallen, die Vorgartenzwerge zertrampeln und den Zweit-SUV verkratzen. Panik, Aktionismus, Populismus, es graust die Sau.

Mal kucken: Wir Deutschen sind jetzt auch nicht gerade wenige Leute. Rund 80 Millionen. Wie viele – könnte man als Idee ja mal fragen – sind denn da im Vergleich 800.000? Alle auf die Wiese stellen und ein Foto machen geht nicht. Rechnen funktioniert: 800.000 von 80 Millionen sind: 1 (ein Worten ein) Prozent. Prozent ist ja aber auch so nebelhaft, deshalb habe ich eine Torte gebacken:

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Für wen sieht das nach „viel“ aus? Wer keine Torten mag und lieber trinkt: Ich habe ein Bierglas vor mir, sagen wir mal einen schönen Humpen Weißbier beim Oktoberfest, korrekt auf einen Liter eingefüllt. Jetzt schütten wir ein Prozent mehr Bier rein. Der Krug wird umgehend überschäumen, den Biertisch überschwemmen, das ganze Festzelt wird in Hektolitern Hopfenkaltschale elendig untergehen, Weißbier-Wellen spülen tsunamiartig die Wiesn leer, das Oktoberfest wird nie wieder so sein, wie es einmal war. Nicht. Ein Prozent von einem Liter sind 10 Milliliter. Das ist ein halbes Schnapsglas. Eine Menge, die unser Weißbier nicht ansatzweise juckt, und eine Menge, von der ich auch nicht besoffener werde.

Ein Prozent ist also eigentlich nicht allzuviel. „Ja aber, was das wieder kostet! Wer soll das bezahlen, wir Deutschen nagen doch am Hungertuch!“, empört sich der besorgte Deutsche. Bis zu 10 Milliarden Euro, steht sogar im Focus! Der hat’s aber nicht mehr so mit Fakten, Fakten, Fakten, denn es sind 6 Milliarden, die die Bundesregierung zur Flüchtlingsversorgung aktuell bereitgestellt hat. Trotzdem ein Haufen Geld. Damit bekommt man aktuell ungefähr einen unterirdischen Bahnhof oder einen überirdischen Flughafen oder 600 Millionen Maß auf der Wiesn. Mh, kann ich nix mit anfangen. Mal auf den Flüchtling umgerechnet: Jeder der 800.000 Flüchtlinge würde damit 7.500 Euro „kosten“, die in die Akutversorgung einfließen. Nicht pro Monat, sondern einmalig pro Person. Jetzt, ganz aktuell. Nicht gerade wenig, aber auch kein Betrag, der vollkommen aus der Welt ist.

Gegenprobe: Vor 25 Jahren kamen – im übertragenen Sinne – 16 Millionen Ostdeutsche nach Westdeutschland. Die Ostdeutschen haben zwar auch ihre Landfläche mitgebracht, dummerweise standen darauf marode Industrien, die keinen Pfennig (so hieß der Cent damals) wert waren. In Westdeutschland lebten damals ungefähr 62 Millionen Einwohner. Zu denen kamen 16 Millionen. Das sind ungefähr 25 Prozent, ein Viertel. Kuchen gefällig?

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Das ist doch mal ein formidabler Anteil. Aus lauter Dankbarkeit, dass unsere Brüder und Schwestern fortan in einem Land ohne politische Repressalien mit freier Meinungsäußerung leben durften, ihre Ersparnisse, die de facto nichts mehr wert waren, eins zu eins umgerechnet in Mark (so hieß der Euro früher) bekamen – aus dieser tiefen Dankbarkeit heraus haben sie uns dann gezeigt, was man mit Molotowcocktails gegen Leute machen kann, die einfach nur in ein Land wollten, in dem sie keinen politischen Repressalien ausgesetzt sind, und die ihre freie Meinung gerne geäußert hätten, hätte irgendwer ihnen zugehört. Aber ich wollte rechnen.

Die ganze Wiedervereinigung hat bis heute zwischen 1,3 und 3 Billionen Euro gekostet. Das sind die Kosten der Einheit, jährlich kommen immer noch rund 100 Milliarden Öcken hinzu. Das haben natürlich mittlerweile nicht alles die Wessis mit ihrem Solizuschlag bezahlt. Die Ossis haben in der Zwischenzeit auch einen wertvollen Beitrag dazu geleistet. Diesen Umstand sollten wir uns für später merken, nur so als Tipp.

Mei oh mei, Billionenbeträge – mir brummt der Schädel (auch ohne Bier). Da man’s nicht genau weiß, nehmen wir die Mitte, das sind dann 2,15 Billionen Euro Kosten für die Wiedervereinigung. Das macht pro Kopf der 16 Millionen „Zugewanderten“ abgerundet 134.000 Euro. Die, nochmal betont, mittlerweile der Wessi wie der Ossi trägt, ich will da kein Bashing betrieben. Aber 134.000 Euro pro Kopf sind halt mal ne andere Dimension als 7.500 Euro Soforthilfe.

Torte? Bitte:

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Zwischenstand: Die Zahl von 800.000 Flüchtlingen ist im Vergleich zur Zahl der gesamten Einwohner der Bundesrepublik verschwindend gering. Im Vergleich war die Zahl der DDR-Menschen um ein Vielfaches höher, die Kosten ebenso. Ich finde übrigens, dass die Wiedervereinigung eine tolle Sache war und meine paar Westkröten Soli eigentlich ganz gut angelegt sind.

Wenn als Nachwehen der Einheit zusätzlich immer noch jährlich 100 Milliarden Euro in den Osten fließen, zahlt jeder der 80 Millionen Deutsche 1.250 Euro pro Jahr. Die 6 Milliarden Flüchtlingshilfe aktuell kostet jeden Deutschen 75 Euro.

Für 75 Euro gibt’s lange kein neues iPhone. Aber für 75 Euro weniger geht kein Deutscher ins Armenhaus. Auch nicht der HartzIVer. Nochmal, das ist eine einmalige Akutzahlung. Auf ein Jahr umgerechnet: Das sind 6,25 Euro im Monat oder 21 Cent am Tag. Jede Zigarette kostet mehr. Kann man vielleicht auf eine Kippe am Tag verzichten, um Flüchtlingen zu helfen?

Warum also das Rumgeheule und der ganze Alarmismus? Wenn der Anteil der Menschen und die Kosten im Vergleich zur Wiedervereinigung derart im Rahmen liegen, warum ist dann die Zahl 800.000 immer noch erschreckend? Nennen wir den Neger beim Namen: Es ist der pure, stumpfe Rassismus. Die Angst vor Neuem, vor Unbekanntem, vor Fremden und vor Veränderung. Dummerweise ist diese Angst unbegründet, das liegt in der Natur der meisten Ängste. Aber wenn man’s mal einordnet und auf Torte und Bier herunterbricht, sollte doch jeder merken, dass sowohl die Zahl der Menschen als auch die Höhe der Kosten vergleichsweise Peanuts sind. Und dass die Parole „zu viel“ und „nicht zu schaffen“ sowohl in Bezug auf die Menschen als auch die Kosten dümmliches, populistisches, unreflektiertes Gesabbel von Politik und Medien sind.

Warum aber überschriften Medien dann wie oben beschrieben diese Soße nach, warum fließt Politikern ein derartig verbaler Dünnschiss aus dem Mundwinkel? Wollen sich Politik und Medien plötzlich mit den Nazis gemein machen, die eh zu doof zum Rechnen sind? Sicher nicht. Können die Politiker selbst nicht rechnen? Oh doch, das können sie, und sie wissen, was sie tun (naja, meistens).

Dass Politiker und Medien entgegen besseren Wissens vor 800.000 Menschen warnen, hat einen ganz anderen Grund: Die  Volksstimmung, dieses merkwürdige deutsche Wesen. Die köchelt seit langer Zeit schön stabil auf der Stufe Ausländerfeindlichkeit, manchmal kocht der Topf über, und aus der schweigsamen Masse wird eine lautstarker Mob (aka Pegidioten). Aber dieser Mob gehört zu keiner kleinen Minderheit. Seit Jahren pendelt die Ausländerfeindlichkeit in Deutschland um 25 Prozent Prozent wie die Mitte-Studien zeigen. 2014 wird mit nur 18 Prozent ein Ausrutscher gewesen sein, so gut kennt man doch seine Landsleute. Das alles eruiert die Uni Leipzig seit 2002.

„Im langjährigen Mittel bestätigt sich der Befund, dass die Ausländerfeindlichkeit eine bundesweit sehr verbreitete Einstellung ist. Im Westen stimmen gut 23 Prozent der Befragten den ausländerfeindlichen Aussagen zu, im Osten sind es mit annähernd 32 Prozent deutlich mehr.“ Quelle: Uni Leipzig.

Wohlgemerkt, es geht nicht um stramme Nazis, sondern um Deutsche, die Aussagen zustimmen wie:
„Die Ausländer kommen nur hierher, um unseren Sozialstaat auszunutzen“, „Wenn Arbeitsplätze knapp werden, sollte man die Ausländer wieder in ihre Heimat zurückschicken“ oder „Die Bundesrepublik ist durch die vielen Ausländer in einem gefährlichen Maß überfremdet“ Solchen Aussagen stimmen ganz normale Leute zu, nicht nur Nazis und Pegidioten (die sowieso), sondern sehr viele schweigende, arg besorgte Bürger. Und wenn man denen jetzt erzählt: Leute, schaut’s Euch doch mal die Zahlen im Verhältnis an, dann wollen die das gar nicht wissen.

Diese „ganz normalen“ Leute sind es, diese 25 Prozent, ein Viertel, 20 Millionen Menschen in diesem Land stimmen ausländerfeindlichen Thesen zu. Dazu gehören die verhaltensauffälligen Nazis und Pegidioten, aber zur Mehrheit gehören Geistesamöben, die Sätze mit „Ich habe nichts gegen Ausländer, aber…“ beginnen. Warum viele Medien „800.000-Ohgottogott“ titeln und sich weigern, das ins Verhältnis zu setzen, um aus dem Elefanten wieder eine Mücke zu machen? Weil Elefanten sich besser verkaufen, ganz einfach. Warum Politiker es ebenso wenig tun? Weil die schweigende, nicht zu unterschätzende Minderheit Millionen Wählerstimmen wert ist. Und wenn die sich erdreistet, rechte Parteien zu wählen und ihr Kreuz bei NPD oder AfD setzt, muss ganz schnell etwas getan werden. Am besten rechts überholen, wie seinerzeit CDU und SPD, als die Republikaner Ende der 80er aus ihrem braunen Sumpf gekrochen kamen und nach der Wiedervereinigung die Asylbewerberheime brannten. Statt Gegenargumente gab’s den Asylkompromiss. Ein Wort, das ich in gar nicht so viele Gänsefüßchen setzen kann, wie ich mag. Stimmen gerettet, Humanismus tot, herzlichen Glückwunsch.

Es ist dieser ganz normale Deutsche, weshalb die Politik so einen Aufstand um 800.000 Menschen macht, warum Sigmar Gabriel mit Pegida reden wollte. Dass derzeit sowohl Gabriel als auch Merkel sich gegen Ausländerfeindlichkeit positionieren, zeigt nur, was für rückgratlose Wendehälse unser Land regieren. Zumal sie nichts dazu beitragen, die Situation zu beruhigen, indem sie auch mal ein Tortendiagramm wie oben backen.

Dieser ganz normale „Nichts gegen, aber“-Deutsche ist das Problem. Der hat noch weniger Rückgrat als Gabriel und Merkel, denn er steht nicht mal zu seinem Gefasel. Sag es doch einfach, sei ehrlich zu Dir und sage: „Den Neger, das Kopftuchmädchen und den bärtigen Muselman will ich hier nicht haben!“ Punkt, aus, fertig. Aber drucks nicht so verlogen herum und blas ein Schreckgespenst von 800.000 auf, das keines ist. Da ist mir jeder NPD-Parteitag lieber, die sagen was sie denken: „Ausländer rrrrraus!“ Das ist kurz und prägnant auf den Punkt gebracht (okay, dem NPD-Klientel fehlt zum Verständnis eines vollständigen Satzes auch die Lesekompetenz. Und okay, ist mir nicht wirklich lieber, für beide Fraktionen hätte ich eine Therapie, die mir aber mein Pazifismus verbietet. Nur so viel: In der nicht ausgereiften Grundidee fließt reichlich Blut und auch sonst brechen Knochen. Aber lassen wir das).

Dieser ganz normale Deutsche will die Flüchtlinge nicht haben, da hilft ihm auch keine Einordnung der Zahlen (nein, jetzt gibt’s nicht schon wieder Torte, das müsst Ihr bis hierher behalten haben). Es sind stumpfe Ressentiments, und ob aus Dummheit, aus Kalkül oder aus einer diffusen Angst – egal. Das ist vollkommen wurscht, denn ein Viertel der Deutschen sind Ausländerfeinde. Und Deutschland ist ein ausländerfeindliches Land. Das ist nicht erst seit gestern so. Deutschland gelingt der geistige Spagat zwischen Einwanderungsland und Ausländerfeindlichkeit. Ich kann gar nicht so viel Bier trinken, um diesen Widerspruch ansatzweise zu kapieren.

Und nochmal zu den Kosten: Keine Angst, die werden nicht so hoch ausfallen. Sobald sich die medialen Wogen geglättet haben, wird sich schon ein Weg finden, die Mittel wieder zu kürzen. Die Wogen beginnen sich im Übrigen bereits zu glätten, denn beruhigenderweise hat Ungarn ja den antihumanistischen Schutzwall hochgezogen, sodass der Ansturm der Barbaren bald versiegen wird. Da kann man schnell die Mittel wieder zurückfahren und das als politischen Erfolg für sich verbuchen. Mittel, die, und das nur nebenbei, zum Beispiel auch darauf verwandt werden, um hoch qualifizierte Flüchtlinge zügig in den deutschen Arbeitsmarkt zu bringen. Das sind ehrenwerte Projekte, zweifelsohne. Aber bei näherem Hinsehen handelt es sich bestenfalls um rein kapitalistischen Hardcore-Utilitarismus, schlimmstenfalls um nicht mit dem Grundgesetz zu vereinbarenden, institutionellen Rassismus. Da wird eine Zweiklassen-Flüchtlingsgesellschaft aufgemacht: Die einen dürfen (Asylrecht) nicht arbeiten, müssen sich mit Almosen zufrieden geben und stehen dafür immer in Gefahr, abgeschoben zu werden. Die anderen bekommen einen Job und die Aufenthaltsgenehmigung.

Was aber, wenn nun diese 800.000 Menschen sogar alle hierbleiben (liebe Rechte, falls Ihr überhaupt bis hier gelesen habt, nicht vom Stuhl kippen, das ist nur ein Gedankenexperiment. Die meisten Flüchtlinge werden sowieso wieder abgeschoben)? Was wird passieren? Werden unsere Sozialsysteme zusammenbrechen? Ganz sicher! Genauso, wie unsere Sozialsysteme zusammengebrochen sind, weil heutzutage rund zehn Prozent der Deutschen mit Migrationshintergrund 22 Milliarden Euro jährlich mehr in die Sozialsysteme einzahlen als sie entnehmen.

Nur zu Sicherheit: Das gerade war Ironie. Purer Zynismus hingegen ist folgende Anekdote: Ich habe unter anderem mit Flüchtlingen aus dem ehemaligen Jugoslawien studiert, als man sich dort die Köpfe eingeschlagen hat. Die haben im Übrigen nach etwa einem halben Jahr in Deutschland besser Deutsch gesprochen als die meisten ehrbaren „Nichts gegen, aber“-Deutschen. Wer Facebook-Kommentare kennt, weiß was ich meine. Über diesen Studenten hing immer das Damoklesschwert der Abschiebung während des Studiums. Und kaum war es beendet, hätte der Flüchtling einen superbezahlten Job bekommen, denn diese hoch qualifizierten Abgänger waren in der Wirtschaft gesucht und selten wie Intelligenz beim Nazi. Die Flüchtlinge hätten Unsummen in die deutschen Sozialsysteme eingezahlt – wurden aber just im Moment, als sie einen Abschluss in der Tasche hatten, abgeschoben. Denn der deutsche Staat hatte beschlossen, der Krieg ist vorbei, jetzt aber huschhusch wieder heim ins eigene Land. Zuerst Flüchtlinge aufnehmen, sie an der Uni für viel Geld ausbilden, und in dem Moment, wo sie es x-fach zurückzahlen können, schmeißt man sie raus. Solche Eigentore muss man erst mal hinbekommen.

„Aber es bleibt doch nicht bei 800.000!“, schreit der Pöbel. Dann lasst es doppelt so viele werden. Sind dann zwei Prozent.

Und wer sich jetzt immer noch nicht ausdenken kann, wie wenige das vergleichsweise sind, dem hilft auch kein Tortendiagramm.

 

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32 Kommentare zu “800.000! Wir werden überrollt!

  1. Das ist der stärkste Text, den ich je von dir gelesen habe: hochrelevantes Thema, scharfsinnig beobachtet, analytisch, wunderbar formuliert.

    Genau solche Texte müßen einer breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden, damit die Klappspaten mal zum Nachdenken angeregt werden.Einfach ausdrucken, zum Lesen geben, drüber Diskutieren, Aha-Effekte abholen. Aber sicher heißts dann wieder, „Ne, so kann man das doch nicht rechnen, weil blablablubb, daher bleib ich bei meiner Meinung. Wird man wohl doch mal sagen dürfen.“

    Jedenfalls nehme ich mir den Text zum nächsten Familientreffen als Argumentationshilfe mit. Ich befürchte da schlimmstes, menschenverachtendes Gedankengut, selbst im engsten Familienkreis, und die Gespräche werden sich wohl hauptsächlich um die Flüchtlinge drehen, weil das eigene Leben so trivial, banal und öde ist. Dabei sind wir allesamt Wirtschaftsflüchtlinge vor 25 Jahren gewesen, das ist denen nur nicht klar. Man stelle sich mal vor, die Wende wäre damals nicht gekommen. Wir würden wohl heute noch in einem unfreien, eher Dritte-Welt-Land, mit katastrophaler Wohn- und Ernährungssituation leben. An Luxus wie z.B. moderne Elektronik oder Automobile wäre gar nicht zu denken. Aber an sowas denken diese Trottel ja nicht.

    Vielleicht wäre dieser Text besser für FFs Schreibwettbewerb gewesen als der eher schwache Beitrag zur Wissenschaftskommunikation? Aus meiner Sicht „schwach“ daher, weil du nicht den Kern des Problems ansprichst, nämlich die miserable Bildung breiter Bevölkerungsschichten. Wie soll ich einem Menschen selbst in einfachen Worten Wissenschaft erklären, und die meisten Wissenschaftler die ich kenne sind Willens und in der Lage dies zu tun, wenn nicht mal das Verständnis der Grundrechenarten vorhanden ist?

  2. Danke fürs Lob :-) Und auch danke für die Rückmeldung, dass Du es nicht als Ossi-Bashing verstehst, das ist mir sehr wichtig.

    Was den Wettbewerbsbeitrag angeht, der war von vornherein auf Unterhaltung und Absurdes angelegt. Im Vergleich zu diesem kommt der schon recht schwach daher. Aber viel lustiger!!!!elf!!eins11!1!! ;-)

  3. Chapeau, aargks, ganz große Klasse!

    Ob es nun 800.000 werden oder gar 1.100.000 oder doch nur 500.000 ist fast egal. Für auf Dauer ist das schon ziemlich viel. Das kann man zwei, drei Jahre machen, danach ginge es an den Wohlstand. Und da hakt’s. Flüchtlingen helfen ist für viele ok, aber selber Einschränkungen hinnehmen? DIe meckern ja schon, wenn jetzt Sporthallen requiriert werden.

    Ich sehe durchaus, dass man die Aussicht, auf Jahre hinaus bis zum (wengistens gefühlten) Anschlag so viele Flüchtlinge aufnehmen, versorgen und irgendwie integrieren (oder wieder loswerden) zu müssen mit gemischten Gefühlen sehen kann. Das ist völlig legitim. Aber ich verstehe nicht, wie man angesichts der furchtbaren Entwicklungen in Syrien, Irak und anderswo so empathielos sein kann, diesen Leuten nicht wenigstens kurzfristig aushelfen zu wollen. (Dabei haben wir noch gar nicht betrachtet, dass weitaus ärmere Länder weitaus mehr Flüchtlinge aufnehmen und, so gut es eben geht, versorgen oder sie wenigstens für sich selbst sorgen lassen. Und auch nicht, wie Du ja schreibst, dass bisher „die Ausländer“ bei uns ganz klar ein Habenposten sind und deutlich mehr in die Sozialsysteme einzahlen als sie an Leistungen entnehmen; das dürfte für einen guten Teil der Flüchtlinge genauso gelten, wenn man die denn Deutsch lernen und arbeiten ließe. Und sogar die, die nicht bleiben dürfen, muss man nicht verprellen, die könnte man zu „Botschaftern“ machen, die für die hier erhaltene Hilfe dankbar sind und vielleicht später für Geschäftsbeziehungen in andere Länder nützlich sein können, wer weiß. Das als kleine Kosten-Nutzen-Rechnung extra für die Mitbürger, denen anständig zu sein und Leuten in Not geholfen zu haben für sich nicht ausreicht.)

    Ich weiß auch nicht, wie man – nur mal angenommen – zwei bis drei Millionen Flüchtlinge in den nächsten zwei, drei, vier Jahren aufnehmen, angemessen unterbringen und versorgen und integrieren soll. Geld, Personal, Wohnraum, alles ist knapp, wo doch hier Schulen, Straßen, Eisenbahnbrücken verrotten und das Gold auch nicht eben auf der Straße liegt.

    Die genannten 800.000 (und auch die denkbaren nur 500.000) sind eine ganze Menge Leute. Deutsche Bundesbehörden mussten jahrelang jedes Jahr 1 Prozent ihres Personals einsparen, und das hat denen richtig wehgetan. 1 Prozent in jeder Richtung ist eine ganze Menge, auch wenn damit die Maß nun wirklich nicht gleich überläuft. Es ist viel, aber sicher zu verkraften (mehrfach in ganz anderer Größenordnung geschehen, s. Flüchtlinge aus den ehmaligen deutschen Ostgebieten nach Kriegsende, s. Wiedervereinigung, s. Russlanddeutsche usw.)

    Den Flüchtlingen die Tür vor der Nase zuzuschlagen mit dem Hinweis: 1. könnt ihr ja in der Türkei oder sonstwo unterkommen, 2. könntet ihr euere eigenen Länder ja mal auf Vordermann bringen bzw. stellt euch nicht so an und 3. ist uns das einfach zu doof/anstsrengend/beängstigend ist keine Alternative. Dass mit den projizierten 800.000 Angstmache betrieben wird ist schlicht peinlich, und wenn prominente Politiker gerade von C-Parteien mit sowas zündeln, ist das besonders pikant. Ihr wisst schon, Nächstenliebe und so. Der große alte Polterer Strauß wird jetzt sicher im Grab von einem Ohr zum anderen grinsen.

    Die „Umvolkung“, um mal einen im rechtsäußere Milieu gängigen Terminus zu bemühen, ist – glauben viele – in vollem Gang, ferngesteuert von IHNEN. Dein Kind, aargks, wird das Studium dermaleinst in Germanistan abschließen und den Amtseid auf den Koran ablegen, vor Negern und Zigeunern, während die letzten paar „echten“ Deutschen die Klos in den Moscheen putzen oder den Negern ihre schwarzen Ärsche sauberlecken müssen.

    Dass es genug Leute gibt, die ungefähr so denken, ist schlimm genug. Dass Mainstreampolitiker denen verbal in die Hände spielen, ist unterirdisch. Und dass diese Leute keine Angst vor der nächsten Wahl haben müssen, macht mir manchmal Angst…

    Die 800.000 sind anspruchsvoll, eine sportliche Aufgabe, aber zu stemmen, ein paar Jahre lang, dann wird’s irgendwann wirklich eng, glaube ich (obwohl wir im Vergleich zu Libanon oder so noch viel, viel Luft haben!). Aber wäre das nicht Grund, sich zu überlegen, wie man verhindern könnte, dass so viele Leute hier Zuflucht suchen? Und man könnte drauf kommen, dass es nicht reicht, die Grenzen dicht zu machen, sondern dass es besser wäre, die Ursachen zu beheben, also Regime wie das von Assad in Syrien nicht länger zu decken und mit Samthandschuhen anzufassen oder gar zu unterstützen wie Russland das jetzt tut? Dass man diejenigen Kräfte beispielsweise in Syrien, die einigermaßen rechtsstaatliche Strukturen aufzubauen versuchen, die unaufgeregten Alltag wollen statt Personenkult, Revolutionsgehabe oder religiöser Raserei, dass man die unterstützt und nicht ignoriert oder gar bekämpft. Dass man sinnvolle Projekte in den ärmsten Ländern unterstützt, aus denen sogenannte Wirtschaftsflüchtlinge kommen, dass die Leute dort ein Auskommen finden können.

    Das dürfte nicht viel teurer sein als die jetzt nötigen Mittel für die Versorgung der Flüchtlinge, auf lange Sicht sogar billiger, aber das wäre natürlich Geld, das ins Ausland abfließt und hier keinen Wähler bringt. Es gibt Politiker, die so weitsichtig denken und daraufhin arbeiten, aber die Masse tut das meiner Meinung nach nicht, die agieren mit kurzfristigeren Zielen und vergeigen damit jede Menge Gelegenheiten und Chancen. Und wenn – als Resultat – hier die Flüchtlinge massenhaft aufschlagen, agitieren sie dagegen an. Ein Elend!

    • @gnaddrig
      Merci für den wunderbaren Kommentar (ist ja fast schon ein eigener Blogeintrag).

      Ob es nun 800.000 werden oder gar 1.100.000 oder doch nur 500.000 ist fast egal. Für auf Dauer ist das schon ziemlich viel. Das kann man zwei, drei Jahre machen, danach ginge es an den Wohlstand.

      Da bin ich mir nichtmal so sicher. Kommt auf die Quote Zuwanderung vs. Abwanderung/Sterberate etc. an.

      Aber ich verstehe nicht, wie man angesichts der furchtbaren Entwicklungen in Syrien, Irak und anderswo so empathielos sein kann, diesen Leuten nicht wenigstens kurzfristig aushelfen zu wollen.

      Ganz genau, es geht um kurzfristig. Das kapieren die Rechten nicht. Und Empathie kannste bei denen schlicht nicht finden (es sei denn, es geht um Toitsche)

      Dabei haben wir noch gar nicht betrachtet, dass weitaus ärmere Länder weitaus mehr Flüchtlinge aufnehmen

      Ganz wichtiger Punkt, den ich aber nicht auch noch ausführen wollte. Hier hat SPON das für die europäischen Länder aufgedröselt: http://www.spiegel.de/politik/ausland/europa-wie-sich-die-fluechtlinge-verteilen-a-1030879.html Deutschland kommt auf 2,1 Erst-Asylanträge pro 1.000 Einwohner, Ungarn 4,2 und Schweden 7,8. Das sind ganz ander Dimensionen. Oder Dein Beispiel Libanon: Ein Drittel Flüchtlingsanteil in der Bevölkerung (http://www.zeit.de/2015/17/flucht-ziel-libanon-aufnahme).

      …man könnte drauf kommen, dass es nicht reicht, die Grenzen dicht zu machen, sondern dass es besser wäre, die Ursachen zu beheben, also Regime wie das von Assad in Syrien nicht länger zu decken und mit Samthandschuhen anzufassen oder gar zu unterstützen wie Russland das jetzt tut

      Stattdessen werden seit Jahrzehnten geopolitische Spielchen auf dem Rücken von Ländern wie Syrien, Irak, Iran etc. ausgetragen, von den Russen, den Amis und den Europäern. Es ist zum Heulen, ja.

      Bleibt zum Abschluss nur noch der Satz aus Deinem Beitrag derletzt, den ich zehmal unterschreibe:

      So oder so, das Boot ist voll. Nicht mit Flüchtlingen oder Asylbewerbern, sondern mit Rassisten, Fremdenfeinden, Hetzern und deren Mitläufern. Ich habe Angst davor, dass die ganze Lage irgendwann kippt und die Brüllaffen, die Prügelbratzen, die Steineschmeißer und die Wohnheimeanzünder die Oberhand gewinnen und der nicht fremdenfeindliche Teil der Gesellschaft denen nicht mehr genug entgegenzusetzen hat.

      (Quelle: https://gnadlib.wordpress.com/2015/08/04/welches-boot/)

      • „Und Empathie kannste bei denen schlicht nicht finden (es sei denn, es geht um Toitsche)“

        Nicht mal das, wenn man sich ansieht, wie die mit Aussteigern und auch innerhalb ihrer Strukturen umgehen.
        Da gibt es nur Macht und das Recht des Stärkeren. Alles andere ist nur Tapete.

      • Stimmt. „Unsere Rentner“, „unsere Obdachlosen“ usw. werden nur hervorgekramt, um sie gegen Ausländer auszuspielen. Sobald man die Gespenster „Überflutung mit Flüchtlingen“ und „Vernichtung durch Umvolkung“ gebannt glaubt, werden die einheimischen Rentner, Obdachlosen und sonstigen Bedürftigen wieder in die Schmarotzerschublade gesteck und je nach Situation mit Verachtung, Häme oder Gewalt bedacht. So geht es rechtsaußen eben zu.

  4. Ein sehr großartiger Text, aargks, ich kann mich dem Lobe meiner Vorschreiber nur anschließen.

    Bei uns im Quartier gibt es seit knapp 3 Monaten eine Flüchtlingsunterkunft, keine 500 Meter von meiner Wohnung entfernt. Schwerwiegende Probleme gab es seit dem Einzug der ersten Flüchtlinge nicht, ein paar Ladendiebstähle, einige zwischenmenschliche Querelen.

    Dass dem so ist, liegt überwiegend an der alltäglichen Integrationsarbeit von zwei eigens gegründeten Bürgervereinigungen, die zusammen mit den schon bestehenden Institutionen mit viel Einsatz, Geduld und Fingerspitzengefühl einen Balanceakt nach dem anderen absolvieren. Einerseits die Wünsche und Nöte der hier Ankommenden zu beachten und dabei natürlich die Wünsche und Grenzen des Quartiers nicht zu vergessen, andererseits die Flüchtlinge an die neue Gesellschaft heranzuführen, sie mit den hiesigen Gepflogenheiten vertraut zu machen und die hier gültigen Normen, Werte und Regeln zu vermitteln. Je nach demographischer Zusammensetzung, Bildungsgrad und Sozialisation der Flüchtlinge ist das mal mehr, mal weniger Arbeit, und mit mal mehr, mal weniger Konfliktpotential verbunden. Mit der Zeit haben nun beide Seiten gemeinsam eine Struktur aufgebaut, mit feststehenden Ansprechpartner und geregelten Abläufen, welche auch die unvermeidlichen Reibereien gut auffängt.
    Wenn dieses zivilgesellschaftliche Engagement nicht gewesen wäre, hätten möglicherweise die auch hier reichlich vorhandenen „Doitschland den Doitschen“-Brüller, Sozialneider, Wutbürger und Wohlstandsverwahrlosten die Meinungsführerschaft übernommen, als Boten eines weit um sich greifenden Fatalismus bis weit in die Mitte der Gesellschaft.
    Denn es ist zwar auf der einen Seite viel Hilfsbereitschaft und helfender Sachverstand vorhanden, aber auch viel Antipathie und Apathie. So scheint mir in weiten Teilen der Bevölkerung der Glaube daran verloren gegangen zu sein, dass eine Zivilgesellschaft durch das eigene Handeln oder im Zusammenschluss in Gruppen positiv formbar ist. In solch einem zivilgesellschaftlichen Vakuum wuchern dann wirklich jene Subkulturen und Parallelgesellschaften, vor denen „besorgte Bürger“ so eindringlich warnen.

    • Wenn dieses zivilgesellschaftliche Engagement nicht gewesen wäre, hätten möglicherweise die auch hier reichlich vorhandenen “Doitschland den Doitschen”-Brüller, Sozialneider, Wutbürger und Wohlstandsverwahrlosten die Meinungsführerschaft übernommen, als Boten eines weit um sich greifenden Fatalismus bis weit in die Mitte der Gesellschaft.

      Das ist sehr, sehr wichtig, und ich finde auch Aktionen wie am Münchner Bahnhof toll, wenn Flüchtlinge mit „Refugees welcome!“ begrüßt werden. Ich fürchte aber, dass das nichts ändert an den 25 Prozent latenten „Nichts gegen, aber“-Rassisten. Und wenn die Situation sich „beruhigt“, geht alles wieder seinen normalen Gang (ja, ich bin Misantrop).

  5. Ein wirklich hochkarätiger Text! Du sprichst mir damit aus der Seele. Ich leite ihn an ganz viele Freunde, Verwandte und Bekannte…
    Vielen Dank für diese Zeilen!

  6. Abgesehen vom eigentlichen Thema, das:

    „Das ist der stärkste Text, den ich je von dir gelesen habe.“
    „Chapeau, aargks, ganz große Klasse!“
    „Ein sehr großartiger Text, aargks“
    „Ein wirklich hochkarätiger Text!“

    … geht runter wie Öl. Danke.

  7. Fürchterlicher Text!
    Man müsste das
    aarks! ausweisen.

    Beispiel gefällig?
    Ich habe ein Bierglas vor mir, sagen wir mal einen schönen Humpen Weißbier beim Oktoberfest, korrekt auf einen Liter eingefüllt.

    Humpen gibt es auf dem Oktoberfest gar nicht! Das heißt Mass; die Mass!
    Weißbier wird niemals im Masskrug getrunken (jedenfalls vom Bayern nicht), sondern aus dem Weißbierglas; dieses fasst genau einen halben Liter!

    Der Rest des Textes ist gut; sehr gut!

    Allerdings überbewertet er die Ausländerfeindlichkeit, die vor allem durch die sog. Lügenpresse abgebildet wird.
    Das Chaos lebt und arbeitet in einer bayerischen Stadt, die fest in schwarzer (politisch) Hand ist. An allen Ecken und Enden entstehen Flüchtlingsunterkünfte. Formiert sich Widerstand? Keineswegs! Im Gegenteil: Alle Teile der Stadtbevölkerung engagieren sich dabei, die Lage zu stabilisieren, die traumatisierten Flüchtlingskinder zu betreuen, das Beste daraus zu machen, dass die Stadt doch recht weit östlich liegt und zunächst mehr abbekommt als andere Städte in Deutschland.
    Wir dürfen nur den Nazis im Osten nicht die ‚Deutungshoheit‘ in der Öffentlichkeit überlassen; dazu trägt das aarks! allerdings in hohem Maße bei. Es darf bleiben!

    • Vor Schreck hatte sich der Kommentar im Spam versteckt, sorry fürs späte Freischalten! Und ojeh, wie recht @Das Chaos hat bezüglich der Maß (ja, Mass geht auch), Weißbier und deren Gefäße – ich leiste hiermit förmliche Abbitte und hoffe, an Bayerns Grenzen in Zukunft nicht abgeschoben zu werden.

      Was die Überbewertung der Ausländerfeindlichkeit angeht: Die Lügenkresse ist die eine Seite, viel mehr zu denken gibt mir aber die stille Fremdenfeindlichkeit, diese 25 Prozent aus den Mitte-Studien.

      Es darf bleiben

      Uff ;-)

      • wie recht @Das Chaos hat bezüglich der Maß (ja, Mass geht auch), Weißbier und deren Gefäße –

        oops! – he did it again!
        Mass ist nicht gleich Maß

        Merke: kurzer Vokal, harte Aussprache des s-Konsonanten: ss; langer Vokal, weiches s: ß.

        Also: Niemals (wiederhole: niemals) Maßkrug, auch wenn’s die System- und Lügenpresse so vormacht.

        ES HEIßT: MASSKRUG!

      • @ Das Chaos: Als Nichtbayer und Nicht-Oktoberfestbesucher muss ich aber nicht wissen, wie Maß auf Bayerisch ausgesprochen wird. Deshalb würde ich im Zweifelsfall hochdetusch schreiben, und da muss ß (aargks, das übste nochmal!). Außerdem müsste man mal analysieren, ob das mit dem kurzen a überhaupt stimmt. Ein langes a könnte im Bayerischen kürzer als im Hochdeutschen sein, wäre aber immer noch lang, wenn es daneben noch ein kurzes a gibt. (Wie klingt das a in Masse im Vergleich zum a in Mass?)

        (Selbst wenn man weiß, dass in anderen Dialekten vermeintlich vertraute Wörter anders ausgesprochen werden als man gemeinhin denkt, weiß man als Nichtdialektsprecher nicht, welche und wie. Ich weiß übrigens auch erst von einer aus Bayern zugewanderten Kollegin, dass der Brathahn nicht Hänndel ausgesprochen wird sondern Hehndel, kommt man ja von selbst nicht drauf.)

      • Als Nichtbayer und Nicht-Oktoberfestbesucher muss ich aber nicht wissen, wie Maß auf Bayerisch ausgesprochen wird. Deshalb würde ich im Zweifelsfall hochdetusch schreiben, und da muss ß

        Hier irrt gnaddrich oder der Duden

    • „Die Lügenkresse ist die eine Seite, viel mehr zu denken gibt mir aber die stille Fremdenfeindlichkeit, diese 25 Prozent aus den Mitte-Studien“.

      Man nehme eine kleine Gemeinde nahe einer Großstadt. In dieser Gemeinde leben überwiegend gutverdienende Pendler, welche der Ruhe und der Abgeschiedenheit wegen auf das Land gezogen sind. Ein Gemeindeleben findet kaum statt, eine Versorgungsinfrastruktur ist auch nur rudimentär ausgebildet, man bespaßt sich grundsätzlich in der nahen Metropole.
      In dieser Gemeinde steht seit geraumer Zeit ein Gasthof leer. Nun soll dieser Gasthof renoviert und mit Flüchtlingen belegt werden. Auf einer zur Verkündigung dieser Absicht einberufenen Informationsveranstaltung kann es sehr schnell vorbei sein mit der Stille. Da werden aus den 25 Prozent zügig 75. Ein tobender Mob, der sich um die Immobilienpreise sorgt. Und darüber flucht, dass man seine Kinder nun doch impfen müsse, weil ja jeder Flüchtling eine Seuchenschleuder sei.
      Die wenigen Stimmen, die eine Betreuung der Flüchtlinge organisieren wollen, werden ausgebuht, beleidigt und körperlich bedroht. Weitere Informationsveranstaltungen und Planungstreffen enden regelmäßig in ablehnenden Tumulten.
      Genau dies hat ein Bekannter von mir in den vergangenen Wochenenden in einer kleinen Ortschaft in der Nähe erlebt, es mag ein Extremfall sein, aber ähnliche Schilderungen vernahm ich schon häufiger.
      Wobei ich kaum 75 Prozent als fremdenfeindlich einschätzen würde, noch nicht einmal 25 Prozent. Man hat es hier nur überwiegend mit Leuten zu tun, die völlig überfordert sind bei dem Gedanken, dass in ihrer direkten Umgebung etwas entstehen könnte, was sie in ihrer Behaglichkeit stört- oder sich unterhalb ihres sozialen Status bewegt.
      Diese Überforderung manifestiert sich in bedingungsloser Ablehnung, man will keine Flüchtlingsunterkunft, man will auch keine Kindertagesstätte, keine Wohngemeinschaft für psychisch Kranke, keine Drogenberatungsstelle, kein Pflegeheim. Es gibt keine Diskussionen, keine Kompromisse, keine konstruktiven Ansätze, es gibt nur ein vielstimmiges „Nein!“. Gemeinschaft als Wagenburg, ein Klima, in dem Feuerteufel gedeihen.

      • Ein übler Mechanismus. Was tun? Dagegen anbloggen? Versuchen, im Gespräch aufzuklären? Im Real Life verzweifle ich manchmal, es ist zum Heulen.

      • Ich bin mir leider nicht sicher, ob in solchen Köpfen außer „Ich, ich, ich!“, „Meins, meins, meins!“ und all den Gedanken, die sich um Selbstentfaltung und -optimierung drehen, überhaupt noch Platz ist. Wenn überhaupt, dann für weitere esoterische Erhöhungskonzepte und verschwörungstheoretische Rechtfertigungsmodelle.. ja, ich bin da zur Zeit auch ein wenig frustriert.

  8. Ich danke für diesen guten Text – er zeigt eindeutig wie Realität durch „was unter Umständen passieren könnte“

    Dazu fällt mir immer Dara Ó Briain (irischer Komiker) ein mit https://www.youtube.com/watch?v=YMvMb90hem8 nur die ersten paar Minuten spricht er das recht gut an

    Ein Sache fehlt mir da schon ein wenig – es sind eig. garnicht soviele Asylanträge in Relation zur Demographie Deutschland und den Anträgen in den letzten 15-20 Jahren

    • es sind eig. garnicht soviele Asylanträge in Relation zur Demographie Deutschland und den Anträgen in den letzten 15-20 Jahren

      Meinst Du damit, Asylanträge im Vergleich zur alternden (und wegsterbenden) deutschen Gesellschaft? Hab ich gerade keinen Zahlen parat, aber ich denke, das geht schon in die Richtung: Wenn keine Einwanderer nach Deutschland kommen, macht früher oder später der letzte Deutsche das Licht aus ;-)

      • Den Text sollte man eigentlich mal als Flugblatt über Dresden und Umgebung abwerfen. Tortengrafiken für chronisch Rechenschwache und Undankbare.

  9. Einfach nur Danke, aargks! Ein Genuß diesen Text zu lesen, auch wenn ich mir wünschte in besseren Zeiten zu leben, die einen solchen überflüssig machen würden.

    @diedas Vorschlag stimme ich zu, Deinen Text sollte man wirklich ausdrucken und massenhaft verteilen.

  10. Pingback: Post an Akif: Ey, rechtsversifftes Jammerläppchen | aargks

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