Freidrehende Geister: Die Aliens kommen

Da hat wohl wer zu viel Stargate geschaut: Das „Freigeist-Forum-Tübingen“ warnt davor, dass demnächst das „Dimensionstor“ (sic!) CERN auf „volle Hochleistung“ gebracht wird. Dann kommen die Aliens und fressen uns auf.

Die Tübinger Freigeister springen auf jeden Eso-Zug auf – wer mal reinschauen mag, bittesehr (aber sagt nicht, ich hätte Euch nicht gewarnt. Ups, hab ich ja gar nicht…). Vorgestern haben die Freidreher einen scheint’s älteren Artikel recycelt, nicht ohne darauf hinzuweisen, dass Simon Parks (falsch geschrieben, die meinen Simon Parkes, einen britischen Alienschwurbler, der laut Eigenaussagen ein Drittel Mensch, ein Drittel Reptiloid und ein Drittel Insektoid ist. Das aargks diagnostiziert: Herr Parkes ist zu mindestens viereinhalb Drittel Schwafeloid), der „sehr stark über die wahre Aufgabe CERNS publiziert hat“, nach Todesdrohungen untergetaucht sei.

Derart eingestimmt brauchen die Freischreiber nur wenige Sätze, um dahin zu kommen:

Es handelt sich bei dem ganzen Ausmass wohl um eine von den Illuminaten und dem Vatikan kontrollierten Raumhafenverstärker und Manipulationsanlage.

Ich übersetze: „Wohl“ steht hier für „Ich habe nicht die geringste Ahnung, was CERN ist. Ich bin zu faul, in diesem Internet-Dings zu recherchieren. Aber die Vatikanaten sind eh an allem schuld. Ah, und es ist, glaube ich, rund. Es ist ein Dimensionstor“. q.e.d. Als Argumentationshilfe ziehen die Freidichter doch tatsächlich Dan Browns Illuminati heran, dort werde nämlich gezeigt, wie der Vatikan mit drinhängt. Freilich haben die Freilichter eines übersehen: *dramatische Musik an* Im Telefonbuch des Vatikanstaates taucht kein „Don Cerno“ auf. Zufall? *dramatische Musik aus*

Boah, mein Hirn. Weiter geht’s: Jetzt exhumieren die Freischichtler auch noch den nicht stattgefundenen Weltuntergang im Dezember 2012, an dem schon einmal versucht worden sei,

[…] ein Portal zu öffnen, den Planeten in einen Parallelen Raum-Zeit-Strang zu versetzten und so die Invasion der ANNUNAKI zu ermöglichen […]

Die Anunnaki (vorne eins, hinten zwei „n“ – Einschub: Leute, wenn Ihr schon auf diesen ganzen Krimskrams abfahrt, schreibt’s doch wenigstens richtig, Mannmannmann) sind Götter der Unterwelt und haben einen mesopotamischen Pass. Da werden Hades und Pluton aber neidisch kucken, wenn dank Dimensionstor die Kollegen aus dem Zweistromland den Vortritt erhalten. Wie darf man sich das vorstellen? Stehen andere Unterweltgötter mit ihren Weltvernichtungsdreizacken und grimmigem Blick vor dem Sternentor, und während die Anunnaki durchmarschieren bekommen sie vom Dimensionstorsteher gesagt „Du kommst hier nicht rein“?

Wurscht. Die Freizeiter schwafeln – von Bildung und Logik ungehindert – weiter:

So lange die Kaufleute alles zu veräußern gedenken und den Humanoiden als Ausverkauf in die Nahrungskette stellen [..]

Dafuq? Wir werden nicht nur alle sterben, WIR WERDEN AUCH ALLE AUFGEGESSEN!!!elf!!eins11!1drölfundachtzig!!!!!!! Aber zum Glück kam es damals nicht soweit, den „es“ „wurde“ „verhindert“. Da ha’m wer nochmal Glück jehabt! Dumm nur, dass der nächste Termin schon feststeht: Die Wintersonnwende 2016. In Japan.

Nun gut. Noch ein Zitat, dann seid Ihr erlöst:

Um Japan zur Finanzierung und zur Umsetzung dieses Vorhabens zu zwingen ist wie es scheint als Druckmittel der Angriff auf Fukuschima geschenen. Das Sternentor in Japan ist bereits Angriffsziel von den USA gewesen

Ooookay?!? Die Illuminaten und der Vatikan (die von vorhin) wollen Japan zwingen, ihr Dimensionstor (ich nehme an, die meinen das) zu öffnen und haben deshalb einen Tsunami entfacht, zugleich aber haben die böse USA das Sternentor angegriffen, um … also, … Ich geb’s auf, in diesem Geschwafel nach einem Sinn zu suchen. Aber so sind sie, die Tübinger Freigeister, die klopfen derart wirren Kram raus und meinen es ganz ernst. Dass von der Prämisse über jede einzelne Schlussfolgerung bis hin zum Endergebnis wirklich nichts zusammenpasst, stört sie nicht. Da sieht man mal, wie weit man einen Bogen um Bildung und Logik machen kann, selbst in einer Stadt wie Tübingen, in der an jeder Ecke ein Universitätsinstitut rumsteht.

Und falls jemand wirklich auf diesen Schmarrn hereinzufallen droht:

1.) Locker machen, es wird keinen Weltuntergang am 21. Dezember 2016 geben.

2.) Das CERN kann gar nicht hochgefahren werden, denn CERN heißt die Organisation, der Teilchenbeschleuniger heißt LHC.

3.) Der LHC tut nichts, der will nur neue Teilchen suchen.

4.) Was ein Teilchenbeschleuniger warum macht, erklärt Boris Lemmer in diesem grandiosen Science-Slam-Beitrag:

 

 

19 Kommentare zu “Freidrehende Geister: Die Aliens kommen

    • Ha, von wegen! Seine Nudeligkeit ist doch der erste, der in den Topf kommt, wenn die Anudingsbums erstmal vor der Tür stehen. Aber al dente! :-)

  1. Ich frage mich immer, was treibt Menschen an, solch irrationale Gedanken zu entwickeln: Lebenstristesse, Überforderung mit der Realität, „Weltschmerz“, psychische Erkrankung, Geschäftsmodell? Allein mit Bildung und Aufklärung ist diesem Unsinn wohl nicht beizukommen.

      • kleines Gemecker zu 3.) Der LHC sucht nicht „neue“ Teilchen, sondern eher unbekannte und unentdeckte, wenn ich mich nicht irre …

  2. Jeder denkt, dass er es weiß, so dachte ich auch.
    Kennt jemand das Flittchen Mutter Teresa?
    Also, sie entscheidet nichts für niemanden.
    Dieses Flittchen, läuft allen hinterher und mach so als würde sie für alle Sorgen tragen.
    Aber sie will eigentlich, nur auf der Bühne stehen und berühmt werden und besonders für den Eintritt kassieren, so zu sagen aus Mist, Kernchen herauspicken.
    Diese Teresa erzählt immer den selben Witzchen überall, wie einfach teuer besonders anders ihre Gebärmutter funktioniert und zwar mit besonderen doppelten Schutz, Kondom und Antipille.

  3. @smyier: stimmt, „neue“ Teilchen sucht der LHC nicht. Für die Menschen neu höchstens. Ich lass mir das aber mal ganz generös als umgangssprachliche Unschärfe durchgehen *hüstel* ;-)

    • Aber weiß man denn, ob die vom CERN im LHC gefundenen/gemessenen/nachgewiesenen (sucht Euch was aus) Teilchen dort nicht zufällg neu sind? Vielleicht entstehen ja Teilchen immer mal, und dann kann man erwarten, dass im LHC auch neue Teilchen aufschlagen. Um das zu erforschen braucht man wahrscheinlich ein weiteres ähnlich großes, ähnlich komplexes Spielzeug wie den LHC ;)

      • Nein, man braucht kein ähnlich komplexes Spielzeug, sondern ein noch komplexeres, mit dem man die Experimente, die im LHC durchgeführt werden, massiv parallel durchführt, um festzustellen, ob die in einem Beschleuniger gefundenen Teilchen in den anderen auch auftauchen. Oder man muss die LHC-Experimente sehr oft wiederholen und die Ergebnisse vergleichen.

        Da ich wegen Physik beinahe durchs Abi gefallen bin, darf ich noch die Hypothese anhängen, dass die im LHC gemessenen Teilchen erst durch die Versuchsanordnung entstehen. Tun sie gewissermaßen ja auch, denn sie werden durch die Kollision freigesetzt. Wer sagt denn, dass bei „natürlichen“ Teilchenkollisionen die gleichen Effekte zu beobachten wären?

        Ich finde meine Gedanken jedenfalls um Größenordnungen stringenter als die der Tübinger Freigeister. Vielleicht ist „Freigeist“ ja die Abkürzung von „frei von Geist“?

      • Wer sagt denn, dass – das ist eine Spielart der Frage, ob es ein Geräusch, das niemand hört, überhaupt gibt. Bedenkenswert, auf jeden Fall. (Ich habe Physik übrigens rechtzeitig abgewählt, um nicht deswegen durchs Abi zu rauschen.)

      • Das Prinzip von Ockhams Rasiermesser sagt das. Und die Tatsache, dass in der Physik bisher keine magischen Effekte beobachtet wurden und somit die Annahme gerechtfertigt ist, dass das in der Teilchenphysik nicht anders ist.

      • @ smurfix: Meine Frage ging dahin, ob die Versuchsanordnung im LHC das Verhalten der Teilchen so stark beeinflusst, dass andere entstehen als in freier Wildbahn. Da wäre z.B. das Magnetfeld, das die Teilchen auf ihre Kreisbahn zwingt.

      • @ gnaddrig: Füsik war bei mir Leistungskurs. (Man kann mit 16 schon ziemlich bekloppte Entscheidungen treffen.)

      • @ Django: Erzähl mir was, ich habe damals freiwillig Altgriechisch angefangen (und rechtzeitig wieder fallengelassen). Die Schönheit dieser Sprache, von der mir mehrere Lateinlehrer vorgeschwärmt haben (es ist offenbar Standard, dass Lateinlehrer Latein nur studieren, weil man ohne kein Altgriechisch studieren kann in Deutschland, und Altgriechisch soll so wahnsinnig übersinnlich schön sein, dass man in Kauf nimmt, extra dafür das eher nicht so geschätzte Latein zu lernen), hat sich mir irgendwie nicht erschlossen. Naja, ich war jung, unerfahren, vorurteilsbeladen und, platt gesagt, etwas dämlich. Ähm, ne, natürlich eigenwillig, unkonventionell… Ach, lassen wir das. War eh ein Irrweg.

      • Uns hat damals obendrein keiner gesagt, dass Physik-LK ohne Mathe-LK eine Steigerung der jugendlichen Unbedarftheit ist. Der arme Physiklehrer saß dann vor 12 Leuten, von denen die eine Hälfte im Mathe-LK zur Spitzengruppe gehörte und die andere Hälfte nur Mathe-GK hatte, so dass er für diese Gruppe auch noch Mathe unterrichten musste, was zeitlich eigentlich nicht drin war (Differentialgleichungen 3. Grades etc.), und die andere Gruppe in der Zeit gelangweilt bis genervt war.

        Aber interessant finde ich Physik bis heute :-)

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